Jazztage
Rudi Neuwirth Vocals
Andreas Willers Guitar
Zwei kongeniale Musiker haben sich zu einem außerordentlich originellen Duo-Projekt zusammengefunden. Willers gilt als Ausnahmegitarrist - mit einem enormen stilistischen Backround und weiten klanglichen Möglichkeiten, die von sicherem Formgefühl und emotionaler Kraft getragen sind.
Rudi Neuwirth ist auf der anderen Seite ein Vokalist, der sich stilistisch von vielen Vokalkollegen deutlich unterscheidet.
Kultura Extra 10/2020 Bewertung: K K K K K
So hat man die Standards "You go to my head , They say its wonderful" oder "It could happen to you" wohl noch nie gehört. Das liegt nicht so sehr an der Stimme und Intonation von Rudi Neuwirth, die man nicht von vornherein als jazztypisch bezeichnen würde, die sich, nicht ohne Humor, dem Sprechgesang annähern und, wenn überhaupt an jemanden, am ehesten an den wunderbaren Mose Allison erinnern, wie an dem Duopartner Andreas Willers. Er betrachtet seine Gitarre nicht als Begleitinstrument, sondern spielt sie mit großer Freiheit und stilistischer Vielfalt als unabhängige "Stimme". So ergibt sich ein Dialog von Wechsel zwischen Einvernehmen und Wiederspruch. Am weitesten treiben es die beiden in drei Eigenkompositionen, die die Stücke so prominenter Jazzer wie Wayne Shorter, John Coltrane, Billy Strayhorn, Herbei Hancock und Jim Pepper unterbrechen. In Coltranes Giant Steps legt Neuwirth einen inspirierten Scat hin. In der Eigenkomposition Bluesoff imitiert er eine Trompete. Und Jimmy van Heusens It could happen to you scheinen Neuwirth und Willers in seine Bestandteile aufzulösen, als fehlte ihnen der Atem zu einer Melodielinie. In Billy Strayhorns Lush Life gleich drauf, setzt Neuwirth zu traditionellem Gesang an, um sich von Willers bereitwillig stören zu lassen und nur gelassen darauf zu reagieren.
Jazztage kommt locker und luftig daher, ohne Druck und Anstrengung. Dann, am Schluß, bei Jim Peppers auf einem traditionellen Thema beruhenden Witchi-Tai-To - so hieß auch eine erfolgreiche Platte von Jan Garbarek -, setzt das Duo vital ein wie ein Indianer-Chor, nur um in den letzten Takten den zerbrechlichen Ansatz wieder aufzunehmen, der diese ungewöhnliche CD kennzeichnet. Man bleibt sich treu. Dr.Thomas Rothschild
Jazzpodium 12/20 - I 1/21
Die Trilogie von Liebesliedern aus dem Great American Songbook, mit der diese Platte einsetzt, könnte einen auf leicht verdaulichen Loungejazz einstellen. Doch dann folgen noch modernere Jazzstandards von Coltrane, Shorter und Hancock. Tatsächlich jedoch würde das Duo des Sängers Rudi Neuwirth mit dem Gitarristen Andreas Willers in der Lounge wohl eher für Protest sorgen. Durchgehender Rhythmus und klar erkennbare Songstrukturen sind eher die Ausnahme. Die Musik ist gegenwärtig, ein echter Dialog. Manchmal, das legt die Besetzung wohl nahe, droht Willers den Sänger zu erschlagen, weil er so umfassend über die harmonischen, melodischen und rhythmischen Grundlagen der Stücke gebietet. Doch Willers bringt immer wieder durch textliche klangliche Ideen Menschlichkeit in eine Musik, die gelegentlich ein wenig zu kühl und technisch zu werden droht. So aber ist den den beiden eine sehr abwechslungsreiche , originelle Vokalplatte gelungen. Stephan Richter
Jazz Dergisi 12/2020
They can make you ask "What?!" initially but they will make the way to your hearts the more you listen and become acquainted with them. Along with classics (...), the musicians present their own original compositions, making these hard times pass more comfortably for all of us." Emre Adam
Jazzthetik 11/12-2020
Im Mai vergangenen Jahres fanden der Vokalist Rudi Neuwirth und der Gitarrist Andreas Willers zu ihren eigenen, ganz persönlichen Jazztagen in Willers Loft im Berliner Vorort Kleinmachnow zusammen. Neben ausgesprochen eigenwilligen Interpretationen ausgesprochen prominenter Jazzstandards - darunter Irving Berlins „They Say Its Wonderful", Wayne Shorters „Nefertiti", John Coltrans „Giant Steps", Billy Strayhorns „Lush Life und Herbei Hancocks „Dolphin Dance" - erklingen auf ihrem Debüt mit „Blueson und „Bluesoff" auch zwei Eigenkompositionen des ungewöhnlichen Duos sowie Willers`kurzes, aber den idiosynkratischen Anspruch diese Albums kondensiert auf den Punkt bringende „Zeh Moll", wobei Neuwirth elektronische Stimmmanipulationen hier auch ein wenig an die experimentellere Seite von Robert Wyatt erinnern. Überhaupt gestatten Neuwirth und Willers sich viele Freiheiten, auch gegenseitig: Songtexte werden mal gesungen, mal auch rezitiert, in den Instrumentals begnügt Neuwirth sich nicht mit Scatgesang, sondern hat auch die eine oder andere Instrumentenimitation auf den Lippen. Während Willers, als E-Gitarrist ebenso jenseits traditioneller Vorstellungen kreativ mit verzerrten Klängen die scheinbar ungetrübte Lebensfreude Ralph Rangers durch Billie Holiday populär gewordenen "Easy Living" unterläuft, stellt er sogar Kunstpfeiferqualitäten unter Beweis. Überall dazwischen: viel Mut zu Luft und Lücke. Zum überraschen Ausklang mit Jim Peppers 1969er Hit „Witchi-Tai-To" dann aber doch noch ein verhältnismäßig konventionell interpretierter Song. Eine Visitenkarte , die neugierig macht. Harry Schmidt
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